Seit mittlerweile zehn Jahren bietet das »Linke Zentrum Lilo Hermann« in Stuttgart verschiedenen Gruppen aus dem linken Spektrum Raum für Ideen und Aktivitäten. Haben Sie erreicht, was Sie sich damals vorgestellt hatten?
Wir wollten eine linke Infrastruktur schaffen, ein Haus von der Bewegung für die Bewegung, in dem nicht kommerzielle Interessen im Vordergrund stehen, sondern Solidarität und der Kampf für eine bessere Gesellschaft. Nach zehn Jahren gibt es diesen Raum, und er wird auf vielfältige Art genutzt. All die Mühen und Einschränkungen, die damit zum Teil verbunden waren, haben sich also auf jeden Fall gelohnt.
Waren Sie damit Pioniere in Stuttgart?
Vielleicht was die Form betrifft, nämlich als linkes Politprojekt ein Haus zu kaufen, statt es zu besetzen oder zu mieten. Die meisten kannten sich aus einem angemieteten Stadtteilladen im Stuttgarter Süden, dem »Subversiv«, das ebenfalls von linken Gruppen genutzt wurde.
Wie viele Menschen gehören zum direkten Umfeld des Zentrums, wie viele zum erweiterten Kreis?
Das »Linke Zentrum« ist keine Politgruppe, sondern ein Hausprojekt, in dem unterschiedliche Menschen auf vielen Ebenen aktiv sind, vom selbstverwalteten Kneipenkollektiv über den Infoladen bis hin zu den vielen politischen Gruppen, die sich im »Lilo« treffen: zum Beispiel »Refugees 4 Refugees«, das »Antifaschistische Aktionsbündnis«, aber auch revolutionäre Gruppen. Unser Ansatz ist es, dass all diese Initiativen zum Hausprojekt dazugehören und es nicht nur aus einem kleinen Kreis besteht, der die Abläufe organisiert. Die Leute, die kommen und aktiv sind, egal in welcher Form, gehören zum Hausprojekt dazu.
Und was ist der gemeinsame Nenner?
Uns eint, dass wir eine solidarische Gesellschaft anstreben, in der es eben nicht um Profitmaximierung geht, sondern um ein besseres, gleichberechtigtes Leben für alle. Als Hausprojekt haben wir vor allem den Anspruch, Infrastruktur zur Verfügung zu stellen, einen Gegenpol zum kapitalistischen Alltag zu setzen. Dafür steht der Leitsatz »Das Haus für die Bewegung, die Bewegung für das Haus«.
Welchen Bezug gibt es zum südlichen Stadtteil Heslach, wo das Zentrum ist?
Heslach ist eben nicht der Killesberg (wohlhabender Stadtteil im Norden, jW). Die Sozialstruktur war seit jeher so, dass es hier viele mit Migrationshintergrund gibt und viele, die ökonomisch schwach sind. Der Stadtteil hat eine bewegte Vergangenheit. In der »Schlacht von Heslach« hat die SA in den 1930er Jahren versucht, nach Heslach einzumarschieren, und wurde dabei zurückgeschlagen. Auch die kommunistischen Widerstandsstrukturen, die es hier gab, sind für uns ein Bezugspunkt. Die soziale Zusammensetzung bietet ein Milieu, in das wir gut hineinpassen. Zumindest jetzt noch, das ändert sich durch die Gentrifizierung natürlich auch hier.
Wie ist das Zentrum in den Stadtteil eingebunden?
Wir verfolgen zwar nicht das Konzept eines Stadtteilzentrums, wie es bei Linken relativ populär ist, sondern das eines Politprojekts. Doch wir sind ein Haus der offenen Tür, wir haben Räume, die man kostenfrei nutzen kann, und das wird eben gebraucht. Andere Vereine aus dem Stadtteil nutzen das, aber auch Initiativen und Leute, die kulturell unterwegs sind. So entsteht ein Netzwerk. Natürlich kümmern wir uns auch um die Kehrwoche – das ist für die Leute hier manchmal auch wichtiger als die Politik.
Welche Pläne gibt es für die Zukunft?
Nach zehn Jahren sind wir an einem Punkt angekommen, wo das Hausprojekt fast aus allen Nähten platzt. Der Immobilienmarkt hat sich in der Zwischenzeit verändert. Ein zweites Haus nebenan zu kaufen, kommt zumindest im Moment nicht in Frage. Wir gehen davon aus, dass unsere Infrastruktur noch stärker genutzt wird. Nicht zuletzt deshalb, weil sich durch die Wirtschaftskrise die Widersprüche in der Gesellschaft weiter zuspitzen werden, gerade in der Industrieregion Stuttgart. Wir wollen einen Raum bieten, um Widerstand gegen die angekündigten Entlassungswellen zu organisieren, und gleichzeitig ein Ort sein, an dem betriebliche Kämpfe und eine antikapitalistische Perspektive zusammenkommen.