Solidarität mit Jens

Foto: Joachim E. Röttgers // KONTEXT Wochenzeitung vom 29.08.2018

Jens ist bekannt als guter Kollege, engagierter Erzieher und verlässlicher Mitstreiter. Jens ist Mitarbeitervertreter, aktiv in der Gewerkschaft, im Bündnis „Stuttgart gegen Rechts“ und Mitbegründer des Linken Zentrums in Stuttgart-Heslach. Jens ist einer, der in vielen Lebensbereichen engagiert für eine bessere Gesellschaft streitet. Einer, der nicht nur redet, sondern macht. Gerade darum gerät er jetzt ins Fadenkreuz jener, die eben das nicht möchten.

Seit geraumer Zeit versucht die rechtspopulistische AfD, Jens öffentlich zu diskreditieren und um seinen Job zu bringen (Hintergrund). Verwunderlich ist das nicht. Das Ziel der AfD-Hetzkampagne ist ein Klima der Angst unter all denjenigen zu schaffen, die gegen die Hetze von Rechts aktiv sind. Einer wird herausgegriffen um andere mundtot zu machen.

Die AfD will dabei etwas skandalisieren, was gar kein Aufreger ist, sondern vielmehr selbstverständlich sein sollte: Solidarität und Antirassismus sind wichtige Bestandteile einer Erziehung zum mündigen Menschen. Es ist nur konsequent dafür auch außerhalb der Kita einzustehen.

So ist nicht das Engagement von Jens der Skandal, sondern die Tatsache, dass und vor allem wie die Inszenierung der AfD aufgegriffen wird. Für die Stuttgarter Nachrichten scheint Jens‘ politisches Engagement, das nie ein Geheimnis war, gefundenes Fressen. In einem reißerischen Artikel macht sich so ein Redakteur mit fragwürdigen journalistischen Methoden zum Handlanger der AfD. Auch die CDU-Landtagsfraktion mischt mit, indem sie den Rauswurf von Jens aus der Kita fordert. Der Fall macht im Kleinen deutlich, was auch im Großen Alltag geworden zu sein scheint: Die AfD fordert, die CDU zieht nach.

Für uns ist klar: Rassisten und Antisemiten entscheiden nicht darüber wer in pädagogischen Berufen arbeitet und wer nicht. Und: In einer Zeit in der Unterkünfte für Geflüchtete angezündet werden und in Regierungskreisen über Lager für Menschen diskutiert wird, ist das Engagement für ein solidarisches Miteinander notwendiger und aktueller denn je.

Wir erklären uns daher solidarisch mit Jens. Das Problem sind nicht diejenigen, die gegen die Hetze von Rechts aktiv sind, sondern die, die eben jene verbreiten.

Website zur Solidaritätskampagne:
https://solidaritaetmitjens.wordpress.com/


 

Jens‘ Statement

Getroffen hat es mich, gemeint sind wir alle!

Vor etwa anderthalb Wochen erreichte mich im Urlaub die Kurznachricht einer guten Freundin: „Kennst du schon den Zeitungsartikel in den Stuttgarter Nachrichten?“, schrieb sie und schob nach „die CDU will, dass du deinen Job verlierst“.

Die SMS war der Anfang einer ereignisreichen Woche, in der viel über mich geschrieben und diskutiert wurde. In der Presse, in Teilen der Linken, aber auch in vielen Kita-Teams und Eltern-Chat-Gruppen. Auch wenn das Thema scheinbar geklärt ist (ich werde meinen Job behalten), möchte ich die Gelegenheit nutzen, um mich zu den Angriffen auf meine Person zu äußern.

Die AfD-Kampagne gegen mich verfolgt ein klares Ziel: „Seht her“, will sie sagen, „wer gegen uns aufsteht, den machen wir fertig. Also lasst es besser.“ Anstatt mir, hätte es auch viele andere treffen können. Gerade im Osten der Republik tut es das schon. Mein „Glück“ in den Fokus zu geraten war die Tatsache, hin und wieder mit Namen und Gesicht für das Linke Zentrum öffentlich aufzutreten und bei Kundgebungen gegen Rechts zu moderieren. So wird man zur Zielscheibe.

Die AfD will sich also eines Gegners entledigen, die CDU leistet Schützenhilfe. Das ist der eigentliche Skandal, und nicht die Tatsache, dass Linke in Kitas arbeiten. Doch den Stuttgarter Nachrichten (StN) liegt es fern, das zu beleuchten. Denn auch sie waren und sind Teil dieses Skandals – als willige Erfüllungsgehilfin der Rechtspopulisten. Diese Zusammenarbeit scheint ein Sinnbild dafür, wohin sich unsere Gesellschaft aktuell politisch entwickelt: Zurück in vergangen geglaubte Tage.

Die StN greifen in ihren Artikeln direkt die Argumentation der AfD auf – und sind sich nicht zu schade, ihreSchützenhilfe für die Rechtspopulisten auch noch als investigativen Journalismus zu verkaufen. Hauptquelle der StN scheint der verschwörungstheoretische, rechtspopulistische KOPP-Verlag zu sein. Die Zeitung mischt noch ein paar Halbinformationen von dem Geheimdienst bei, der jahrelang rechte Strukturen finanziert hat und aktuell bemüht ist, die Überwachung der AfD abzuwenden. Garniert wird das Ganze dann mit einer Prise BILD-Schreibstil. Bei derartiger Quellenlage ist das Endergebnis kaum verwunderlich, zumal nichts von dem, was vermeintliche „Recherchen“ zu meiner Person ergeben haben sollen, ein Geheimnis war.

Ich möchte mich an dieser Stelle ausdrücklich für die mir entgegengebrachte vielfältige Solidarität bedanken. Viele Menschen haben ganz unmittelbar verstanden, dass es nicht um juristische Biografien geht, sondern um den Versuch, den Widerstand gegen Rechts mundtot zu machen.
Diesem Angriff mit Solidarität zu begegnen ist wichtig. Die Solidarität hat nicht nur mich gestärkt, sondern auch sichtbar gemacht, dass breite gesellschaftliche Kreise mit dem Schulterschluss zwischen CDU, StN und AfD nicht einverstanden sind. Solidarität heißt aber auch, selbst aktiv zu werden. Je mehr von uns Widerstand gegen Rechts organisieren, desto eher können wir den gesellschaftlichen Rollback zurückdrängen.

Und ja, manchmal müssen wir dabei unsere selbstgesetzten Grenzen überschreiten und zu Mitteln greifen die wir eigentlich ablehnen. Wenn Unterkünfte für Geflüchtete angezündet werden, Nazis sich bewaffnen oder der rechte Mob Hetzjagd auf MigrantInnen macht, dann reicht es nicht aus sich daneben zu stellen und zu sagen: „Das geht so nicht“. Diese Entwicklungen hält man nicht nur mit guten Worten und/oder gesellschaftlichen Mehrheiten auf. Wegzuschauen hat nie geholfen, nicht in den 30ern, nicht in den 90ern und das tut es auch heute nicht.

Es ist aktenkundig und wurde auch von den StN nochmal aufgewärmt, dass ich vor sechs Jahren mit dem Wurf einer Tränengaskartusche eine NPD-Kundgebung in der Stuttgart Innenstadt unterbrochen und einige Nazis zum Heulen gebracht habe. Dazu kann ich auch heute noch ohne Einschränkungen stehen.

Jene die hier dann von Gewalt sprechen, ignorieren, dass wir in einer Welt leben, die geprägt ist von Gewalt. Der Gewalt jener, die Menschen in Armut leben und sterben lassen, jener die Kriege und Fluchtursachen befeuern und Rettungsschiffe an ihrem Dienst hindern. Und es ist auch die Gewalt derer, die all das fordern, herbei schreiben, rechtfertigen oder verharmlosen. Auch wenn ich in meinem Job den Kindern gewaltfreie Konfliktlösung vermittle – es ist diese Welt in die ich sie entlasse.

Zu guter Letzt: An meiner Überzeugung ändern die Geschehnisse der vergangenen Woche nichts. Sie hätten auch nichts geändert, wenn sie mich meinen Arbeitsplatz gekostet hätten. Im Gegenteil. Was ich erlebt habe bestärkt mich auch weiterhin mit vielen anderen für eine Gesellschaft der Solidarität zu streiten und entschieden gegen die Gefahr von Rechts zu kämpfen. Entschieden heißt auch, den Konflikt nicht zu scheuen und klare Kante zu zeigen. Es fällt mir schwer, mir dabei Gerichte, die NSU-Mitglieder auf freien Fuß setzen, und eine Polizei, die Pegida hofiert, als die Instanzen vorzustellen, die anderen vorschreiben wollen, wie der Kampf gegen Rechts zu führen ist.

Ja, es gibt sie, die Menschen die sagen, dass es so wie es jetzt ist, nicht bleiben muss. Für die Profitgier und Ausbeutung nicht naturgegeben sind. Es gibt sie, die Menschen die gegen Sozialabbau und Neoliberalismus kämpfen, die sich für Geflüchtete einsetzen und rechte Märsche verhindern, die gegen die Zerstörung unserer Umwelt auf die Straße gehen und der Individualisierung, Solidarität und Kollektivität entgegensetzten. Sie arbeiten in Krankenhäusern, Fabriken, Schulen, studieren oder erziehen Kinder. Ich bin einer von ihnen. Daran ändern weder Rechtspopulisten, ihre journalistischen Helfershelfer noch Geheimdienste etwas.

Veröffentlicht am 27.08.2018